Grosses Interesse an neuen Lösungen: Besichtigungen in Zürich und Winterthur

Da alle für Anfang Jahr geplanten Anlässe von Wohnbaugenossenschaften Zürich aus Vorsicht auf das zweite oder gar dritte Quartal 2022 verschoben wurden, reihte sich im April und Mai dieses Jahres eine Besichtigung an die andere. Das Interesse an diesen Vorzeigeprojekten war gross, die Projekte und die Aufgaben, die sie zu lösen hatten, waren sehr unterschiedlich.

Manegg 1 der BEP – eine gemeinsame Entwicklung mit einem Generalunternehmer
Im Jahr 2014 konnte der Regionalverband Zürich dieses Areal im Auftrag der Steiner AG an die Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP) vermitteln. Die BEP entwickelte das Areal gemeinsam mit der Steiner AG, wofür zunächst ein ergänzender privater Gestaltungsplan notwendig war. In drei Gebäuden sind insgesamt rund 250 Wohnungen und gewerblich genutzte Flächen entstanden – davon 150 Eigentumswohnungen. Die bestehende Nutzung des ehemaligen GDZ-Gebäudes als Büro- und Gewerbehaus behielt die BEP vorerst bei. Im Gemeinschaftsraum der BEP gab es zunächst einige Vorinformationen zum Projekt: Claudia Vontobel erzählte, dass sie just zu Beginn des Projekts zur BEP kam und den gesamten Planungsprozess miterleben konnte. Die architektonischen Details wurden von Thomas Wölfel des Architekturbüros Neff Neumann Architekten AG erläutert, das den Studienauftrag im Jahr 2016 für sich entscheiden konnte.

Alexandra Imstepf, Leiterin Vermietung der BEP, berichtete über die positiven Erfahrungen mit dem ersten digital durchgeführten Vermietungsprozess mittels Projektwebsite bep-manegg.ch. Im Hintergrund dieser Website kam das Online-Vermietungs-Tool der emonitor AG zum Einsatz, über welches Sara Funcke referierte. Elf Monate vor Bezugsbeginn wurde die Vermietungswebsite live geschaltet, davon vier Wochen passwortgeschützt ausschliesslich für Mitglieder der BEP. Bereits zwei Wochen nachdem externe Bewerbungen möglich waren, galten alle Wohnungen als reserviert – es waren 350 Bewerbungen eingegangen. Die Mieterauswahl nahm die BEP auch anhand des Vermietungsreglements vor. Das Ergebnis: 33 Wohnungen wurden an Genossenschaftsmitglieder der BEP vergeben, eine Wohnung erhielt die Stiftung Domicil und gut 69 Wohnungen konnten an neue Genossenschaftsmitglieder vermittelt werden.

Abschliessend zeigte Katharina Barandun auf, wie eine gute genossenschaftliche «Inbetriebnahme» funktionieren kann. Um die neuen Bewohnenden, die zum Teil zum ersten Mal Mitglied einer Genossenschaft sind, mit den Rechten und Pflichten, Gremien und Mitwirkungsprozessen vertraut zu machen, finden im Vorfeld von Erstbezügen Infoveranstaltungen statt, bei denen diese Aspekte jeweils veranschaulicht werden. Im weiteren Verlauf des Anlasses konnten einzelne freie Wohnungen besichtigt werden und der Apéro im Gemeinschaftsraum rundete den Nachmittag ab.

Viel Grün und viel Ruhe im Innenhof des Hauses EinViertel

Neubau EinViertel der Gesewo: Selbstverwaltung wird grossgeschrieben
Auf dem Sulzerareal Werk 1 in Winterthur entsteht derzeit der neue Stadtteil Lokstadt. Als eines der ersten Gebäude wurde Mitte 2020 das Haus «Krokodil» – ein Gemeinschaftsprojekt der Implenia AG, der Anlagestiftung Adimora, der Genossenschaft gaiwo und der Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen (Gesewo) fertiggestellt. Pandemiebedingt konnte die Besichtigung erst Mitte Mai 2022 stattfinden.
Das Gebäude ist ein Holzbau, vereint die unterschiedlichsten Wohnkonzepte unter einem Dach und setzt damit die ursprüngliche Idee – soziale Durchmischung, Urbanität und die Kriterien der 2000-Watt-Gesellschaft – der Lokstadt um. Also auch autoarmes Wohnen: So stehen den Gesewo-Bewohnenden der 71 Wohnungen mit 2,5 bis 5,5 Zimmern nur gerade neun Tiefgaragenplätze zur Verfügung. Dafür gibt es – Winterthur ist eine Velo-Stadt und hat in einem kürzlich veröffentlichten Ranking von Pro Velo schweizweit den dritten Platz belegt – mehr als 200 Gratis-Fahrradplätze in der Tiefgarage.

Gratis-Fahrradparkplätze im Haus EinViertel der Gesewo

Auch im Haus EinViertel bleibt die Gesewo ihrer Idee der Selbstverwaltung treu. Doch hier sei – wie Yvonne Schnetzer, Leiterin Vermietung der Gesewo ausführte – das Vorgehen umgekehrt gewesen. Normalerweise trete eine Gruppe oder eine Hausgemeinschaft an die Gesewo heran mit dem Wunsch, ein konkretes Genossenschaftsprojekt umzusetzen. Hier habe sich – durch den Generalunternehmer Implenia – erst die Gelegenheit ergeben, gemeinsam ein Projekt zu entwickeln, und dann habe man Interessierte gesucht. Es hätten sich viele Gruppen und Einzelpersonen am Prozess beteiligt, ihre Wünsche und Ideen eingebracht, ergänzte Andreas Wirz, der hier als Gesamtprojektleiter der Archipel GmbH engagiert worden war. Die Hausgemeinschaften der Gesewo organisieren sich nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung in Hausvereinen. Diese Hausvereine bringen Anliegen und Wünsche ein, die anschliessend architektonisch und technisch umgesetzt werden. Konzipiert wurde das Gebäude – einer der grössten Wohn-Holzbauten in der Schweiz – im Minergie-P-Standard und entspricht punkto Nachhaltigkeit und Energieeffizienz den Anforderungen der 2000-Watt-Gesellschaft. Einzig das Untergeschoss sowie Teile des Erdgeschosses, der Treppenhäuser und Liftkerne wurden in Beton gegossen.

Initiantinnen und Initianten des Projekts führen die Gruppen durch die Zusammenh_alt

Premiere der Baugenossenschaft Zusammen_h_alt
Der Grundstein für diese neue Genossenschaft wurde bereits 2006 gelegt, als sich Interessierte in einem Verein organisierten, um ein Projekt für Wohnbedürfnisse in der zweiten Lebenshälfte – ab 45 Jahren – anzustossen. 2010 entstand daraus die Genossenschaft Zusammen_h_alt. Aber es dauerte noch drei weitere Jahre, bis ein geeigneter Standort gefunden werden konnte. Denn 2013 lancierte die Stiftung Abendrot für ein Grundstück auf dem ehemaligen Sulzerareal in Winterthur einen Architekturwettbewerb.
Die Zusammen_h_alt beteiligte sich mit 10 % der Investitionskosten und arbeitete an der Projektentwicklung mit. In Zusammenarbeit mit den Siegern des Wettbewerbs, dem Winterthurer Büro Rothen Architektur, entstanden 75 Einzimmerwohnungen von 40 bis 84 mÇ Wohnfläche bzw. CHF 1000 bis 2205 Monatsmiete, eine fast 300 mÇ grosse «Tätigkeitsplattform» und ein Gemeinschaftsraum mit Küche sowie 17 Ateliers und Gewerberäume samt Kita. Die Wohnungen konnten erst im Frühjahr 2020 – zu Beginn der Corona-Pandemie, als vieles noch nicht möglich war – bezogen werden. Dementsprechend schwierig sei es zu Anfang gewesen, die Ideen für gemeinsame Aktivitäten und die Nutzung der zahlreichen Gemeinschaftsräume umzusetzen. Nach und nach habe man sich aber gefunden und sich in Gruppen mit verschiedenen Aufgaben formiert.

Auch der hauseigene Waschsalon ist ein Ort der Begegnung

So hat sich der Waschsalon zu einem echten Treffpunkt gemausert, das Nähatelier nebenan wird rege genutzt. In der Bibliothek finden regelmässig Lesungen für die Bewohnenden statt. Der Musikraum wird bespielt, die Sauna ist gut belegt, ebenso der Raum der Stille. Und die Pflanztröge auf der mittleren Terrasse tragen bereits erste Früchte. Neben der Dachterrasse, die allen zur Verfügung steht, wurde eine Solaranlage installiert, die immerhin 30 % des Eigenbedarfs des Hauses deckt. In den nun kommenden Jahren wird sich zeigen, welche Nutzungen sich bewähren und welche Räume für andere Ideen Verwendung finden. Die Architektur ist dafür flexibel genug.

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