Nachbarschaftskonflikte und schwierige Situationen mit Bewohnenden, so der Titel des Anlasses, sind auch bei gemeinnützigen Bauträgern ein wichtiges Thema. Dementsprechend zahlreich erschienen am 9. September 2025 Präsident:innen, Geschäftsführende, Sozialarbeitende und Bewirtschafter:innen bei Wohnbaugenossenschaften zur Impuls-Veranstaltung des Regionalverbands Zürich.
Dass gemeinnützige Bauträger – im Vergleich zu vielen kommerziellen Liegenschaftenverwaltungen – bei Konflikten mit und unter Bewohnenden eine andere Herangehensweise pflegen, hat verschiedene Gründe. Zunächst sind die Mieter:innen meist Genossenschaftsmitglieder und damit Mietbesitzende. Zum anderen haben soziale Aspekte bei Wohnbaugenossenschaften einen hohen Stellenwert. Doch die Aufgabe werde – so die Referierenden – zunehmend schwieriger. So sei seit der Pandemie eine steigende Forderungshaltung bei den Bewohnenden festzustellen.

Wie man dafür sorgen kann, dass Mietverträge eingehalten und Hausregeln beachtet werden, und man gleichzeitig soziale Aspekte gebührend berücksichtigt, erörterten drei ausgewiesene Fachleute in Sozialer Arbeit – Jill Kaiser von der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ), Simon Kägi von der Familien-Heimgenossenschaft Zürich (FGZ) und Stefan Kessler von der Baugenossenschaft des Eidgenössischen Personals (BEP) – in Theorie und Praxis. Bei den rechtlichen Fragen ergänzte Cornelia Fleischli vom Rechtsdienst von Wohnbaugenossenschaften Schweiz.
Es wurden verschiedene «Fälle» konkret vorgestellt. Zum Beispiel die klassische Lärmklage, von mehreren Nachbarn einer Familie. Darauf folgte ein Erstgespräch mit den Beklagten und eines mit den klagenden Parteien. Beide Seiten wurden dabei an ihre Selbstverantwortung, den Konflikt direkt beizulegen, und an die Grundsätze der Rücksichtnahme und Toleranz erinnert. Nach einer Analyse des Konflikts kam es zu einem zweiten (Feedback-)Gespräch mit den Beklagten . Diese beharrten darauf, keinen Lärm zu machen. Da sich die Situation nicht verbesserte, erfolgte eine Abmahnung, in deren Folge es zu weiteren Eskalationen in der Waschküche und schliesslich zum Ausschluss aus der Genossenschaft und zur Kündigung des Mietverhältnisses kam. Insgesamt hat dieser Fall die Verwaltung über alle «Eskalationsstufen» (siehe Schema) hinweg mehr als drei Jahre beschäftigt. Es folgten weitere Beispiele mit unterschiedlichem Ausgang.

Geduld ist in allen Situationen gefragt. Darüber hinaus – so der Theorie-Teil – braucht es Fingerspitzengefühl und ausdauernde Gesprächsbereitschaft. Dabei sollen möglichst viele Informationen gesammelt und diese reflektiert werden, um herauszufinden, wo das Problem wirklich liegt. Auch die Vermittlung zwischen den Konfliktparteien sowie das Treffen von Vereinbarungen sind wichtig. Aus dem Referat, das auch die neun Eskalationsstufen (siehe Schema) zeigte, wurde deutlich, dass nur in den ersten drei Phasen eine echte Win-Win-Situation herbeigeführt werden kann, aber auch, dass die allermeisten Konflikte durch moderierte Gespräche während diesen Phasen gelöst werden können. Dabei ist es sicherlich von Vorteil, wenn eine Wohnbaugenossenschaft eigene Sozialarbeitende beschäftigt oder sich punktuell Hilfe von Profis holt, seien es externe Sozialarbeitende im Mandat oder Anlaufstellen der ärztlichen Dienste, von Fachstellen, der Polizei oder der KESB. Eine Übersicht verschiedener Fachstellen haben wir zusammengetragen: > Fachstellen

Bei der anschliessenden Frage- und Diskussionsrunde kam auch zur Sprache, was getan werden kann, damit es gar nicht erst zu solchen Konflikten kommt. Präventiv würden da sicher eine gute Willkommenskultur und damit verbunden Anlässe wirken, an denen sich die Bewohnenden kennenlernen und regelmässig treffen. Wenn diese sich im Treppenhaus mehr als «guten Tag» sagten, steige auch die Gesprächsbereitschaft bei Unstimmigkeiten.

Am Anlass zum Thema «Nachbarschaftskonflikte» hat auch Simone Kaufmann, Bewirtschafterin bei Netz Genossenschaften, teilgenommen. Wir haben kurz nachgefragt:
Simone Kaufmann, du betreust seit zwei Jahren bei Netz Genossenschaften verschiedene Verwaltungsmandate. Zuvor warst du bei kommerziellen Liegenschaftenverwaltungen tätig. Wurde dort bei Nachbarschaftskonflikten auch mit dem neunstufigen Eskalationsmodell gearbeitet?
Wir haben uns damit nicht auseinandergesetzt, haben bei Konflikten keine Kriseninterventionsstelle kontaktiert. Bei Streitigkeiten sollten die Mieter:innen zuerst selber zusammen eine Lösung finden. Wenn keine Lösung gefunden werden konnte, wurden die Konfliktparteien zu einem Gespräch zu uns ins Büro eingeladen. Die Mieter:innen kamen jedoch meistens nicht, wohl weil sie uns eher als «Gegner» sahen, die keine Schlichtungskompetenz hatten. Wenn danach die Streitigkeiten andauerten, wurden beide Parteien abgemahnt.
War das Vorgehen immer gleich?
Wir konnten nicht individuell auf die Mieterschaft und ihre Probleme eingehen. Dazu fehlte der Bewirtschaftung schlicht die Zeit. Für die Eigentümerschaft war wichtig, dass am Ende des Monats die Miete rechtzeitig eintrifft. Einzig im Notfall hätten wir die Polizei gerufen.
Hast du ein Beispiel?
Ein rauchender Mieter wünschte, dass seine Wohnung neu gestrichen wird. Vom Hauswart wusste ich schon, dass es beim Mieter Messi-Tendenzen gab, was sich beim Besuch seiner Wohnung bewahrheitete. Obwohl der Besuch angekündigt war, verweigerte er den Zutritt. Wir sprachen eine Kündigung aus, woraufhin er mir Zutritt gewährte. Wir verlängerten den Mietvertrag mehrmals und ich vereinbarte mit ihm in kleinen Schritten weitere «Aufräumziele». Zwar konnte die Wohnung nicht gestrichen werden, aber die Situation hat sich entspannt. Ich habe diesen Aufwand aber auf Eigeninitiative und privat betrieben.
Entspricht dir der genossenschaftliche Ansatz von Netz Genossenschaften nun mehr?
Auf jeden Fall!