Zwischennutzungen statt Leerstände.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des MAS Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern

Werden Liegenschaften erneuert, kommt es zwischen der Planungs- und der Ausführungsphase zu kurz- bis mittelfristigen Leerständen. Aufgrund ihrer regen Bautätigkeit sind gerade auch Wohnbaugenossenschaften mit dieser Herausforderung konfrontiert. Was spricht für Zwischennutzungen zur Vermeidung solcher Leerstände? Und worauf ist dabei zu achten? Eine Umfrage bei drei Dutzend Wohnbaugenossenschaften gibt Antworten auf diese Fragen.

Um herauszufinden, wie das Vorgehen bei einer Zwischennutzung in einer Wohnbaugenossenschaft aussehen kann, wurde mit Vertreterinnen und Vertretern von 35 Wohnbaugenossenschaften, die Mitglied des Regionalverbands der Zürcher Wohnbaugenossenschaften sind, eine quantitative Umfrage durchgeführt. Anschliessend wurden in der Masterthesis mit verschiedenen Wohnbaugenossenschaften, die in jüngster Vergangenheit Erfahrungen mit Zwischennutzungen gemacht haben, Experteninterviews geführt.


Abbildung 1: Ersatzneubauprojekte, Zwischennutzungen, Leerstände in den vergangenen 10 Jahren in Bezug auf die Grösse der Wohnbaugenossenschaften

Es hat sich gezeigt, dass vor allem grössere Wohnbaugenossenschaften Zwischennutzungen bereits professionell durchgeführt haben. Dabei werden die Wohnungen grösstenteils an Studierende vermietet und von externen Dienstleistern betrieben. Diese Partnerschaft hat sich in der Praxis bewährt.

Viele gute Gründe für Zwischennutzungen
Es gibt verschiedene Problematiken und Risiken im Zusammenhang mit Leerständen bei Wohnbaugenossenschaften. Die Brisanz wird ganz unterschiedlich beurteilt und gewichtet. Folgende Aspekte sprechen aus gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht für eine Zwischennutzung:
> Grundsätzliche genossenschaftliche Sicht: Es liegt nicht im Interesse von Wohnbaugenossenschaften, Wohnraum über Monate hinweg leer stehen zu lassen.
> Soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft: Gerade in Städten besteht derzeit eine sehr hohe Nachfrage nach günstigem Wohnraum.
> Wirtschaftliche Überlegungen: Der Mietzinsausfall und die immer noch zu leistenden Unterhaltsarbeiten können über einen längeren Zeitraum finanziell ins Gewicht fallen.
> Angst vor Besetzungen: Besetzungen können zu Verzögerungen des Bauprojekts führen, da die Besetzer möglicherweise nicht rechtzeitig zum Auszug gezwungen werden können. Dazu kommt die Sorge, dass die restlichen Anwohnerinnen und Anwohner belästigt werden.
> Bewahrung des Quartierlebens: Es sollen keine Geistersiedlungen entstehen. Das lokale Gewerbe muss weiter wirtschaften können.
> Vorbeugung betrieblicher Probleme: In unbewohnten Liegenschaften können betriebliche Probleme entstehen, beispielsweise aufgrund von stehendem Wasser (und der damit verbundenen Verkeimung der Leitungen) oder Geruchsemissionen (entleerte Siphons).
> Vermeidung von negativer Publicity: Leerstände können sich bei negativer medialer Berichterstattung auf die Reputation der Wohnbaugenossenschaften auswirken.

Auch bei Zwischennutzungen zu beachten: gute Kommunikation
Die grösste Herausforderung bei Zwischennutzungen ist, eine qualitativ gute Mieterschaft zu finden. Besonders junge Menschen wie Studierende werden als sehr angenehme Mieter empfunden, die mit ihrem Einzug die Quartiere sogar aufwerten können.
Bei Zwischennutzungen gilt es auch, die richtige Vertragsform zu finden. In dieser Phase nicht besonders förderlich für die Eigentümerschaft ist Art. 272a d OR im Schweizer Mietrecht, der sich auf den Erstreckungsausschluss bezieht. Zusammenfassend ist es sehr aufwendig und schwierig, Mietverträge wieder aufzulösen und eine Räumung einzuleiten. Mit dem Abschluss von Gebrauchsleihverträgen kann dieses Risiko ausgeschlossen werden. Bei dieser Vertragsform können allerdings auch keine Einnahmen verbucht werden, da die Liegenschaft ohne Entgelt zum Gebrauch überlassen werden.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Zwischennutzungen vielfach nur kurzfristig angedacht waren und schlussendlich über Jahre gedauert haben. Beim Ablauf des Mietvertrages ist bei den Nutzern oft die Erwartung aufgekommen, Mitglied der Wohnbaugenossenschaft zu werden, was zu schwierigen Situationen führen kann.

Eine weitere Thematik ist die Sorgfaltspflicht gegenüber den Bauten. Seitens Wohnbaugenossenschaften werden bei Zwischennutzungen teilweise Zugeständnisse für den Ausbau der Räumlichkeiten gemacht. Dieses Entgegenkommen kann missbraucht werden: Beim Wechsel eines Zwischennutzers mussten einige Wohneinheiten instand gestellt werden. Seitens der Verwaltung ist eine gute Kommunikation und die restriktive Umsetzung der Hausregeln ein Muss, damit eine gute Integration erreicht wird.

Oftmals gibt es zu Beginn Schwierigkeiten, weil die neuen Bewohnerinnen und Bewohner die Kultur und Lebensweise der Wohnbaugenossenschaften nicht kennen. Das Leben in Wohnbaugenossenschaften geht auf eine ungeschriebene Kultur zurück, die neu Hinzugekommene lernen müssen. Weiter ist es wichtig, dass eine gute Durchmischung in den Gebäuden erreicht wird, damit keine Subkulturen entstehen können. Mit der Einbindung der neuen Bewohnerinnen und Bewohner ins Genossenschaftsleben ‒ zum Beispiel mittels Einladung zu ihren Veranstaltungen ‒ können die kulturellen Unterschiede aber schnell behoben werden.

Ablauf einer Zwischennutzung
Wenn bei Wohnbaugenossenschaften eine bestehende Liegenschaft einem Ersatzneubau weichen muss, wird die Vermietungspraxis oftmals schon mehrere Jahre vor dem Abriss angepasst: Es werden Wohneinheiten mit einem befristeten Mietvertrag an externe Mieter (durch die Genossenschaft) vermietet. Die Mieter erhalten zu einem späteren Zeitpunkt eventuell die Möglichkeit, Mitglied der Wohnbaugenossenschaft zu werden.

Alternativ werden die Wohneinheiten an Dienstleister weitervermietet, die im letzten Lebensabschnitt der Immobilie die Vermietung übernehmen und Ansprechpartner sind. Selbstverständlich können in einem Gebäude befristete Mietverträge und Zwischennutzungen mit Dienstleistern kombiniert werden. Das Vorgehen wird je nach Wohnbaugenossenschaft unterschiedlich gehandhabt. Klare Tendenzen sind nicht erkennbar. Grossen Einfluss haben jedoch die Selbsteinschätzung der Organisation, die vorhandenen personellen Ressourcen und der Umfang der Zwischennutzung. Wohnbaugenossenschaften setzen Zwischennutzungen nämlich meist nur für einzelne Wohneinheiten und nur in seltenen Fällen für ganze Liegenschaften bzw. Überbauungen ein.

Erfahrungsgemäss kommt es in den letzten zwölf Monaten vor dem Abriss der Liegenschaft durch den Wegzug einzelner Mieterinnen und Mieter, durch bereits getätigte Rochaden oder auch wegen Planungsfehlern zu erhöhten Leerstandsquoten. Wird ein Vertrag mit einem Dienstleister abgeschlossen, kann das zusätzliche Kontingent an Wohneinheiten und das damit verbundene Risiko weitergegeben werden.

In einigen Wohnbaugenossenschaften werden zur Zwischennutzung auch Kunstprojekte initiiert: Die leeren Räume werden den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern als Ateliers gratis zur Verfügung gestellt. In den Räumlichkeiten können auf diese Weise private Projekte umgesetzt und die Produktionen anschliessend ausgestellt werden. Dies hat den Vorteil, dass gemäss Rückmeldung von einem Grossteil der befragten Wohnbaugenossenschaften das Quartier belebt und das Miteinander gefördert wird.

Fazit
Zusammenfassend sind Zwischennutzungen meistens eine gute Sache, wobei eine transparente Kommunikation und eine seriöse Vorbereitung respektive Betreuung der Bewohnenden als Rezept für eine erfolgreiche Zwischennutzung gelten. Weitere Erfolgsfaktoren sind eine langfristige Projektphasenplanung, die Auswahl der richtigen Partner sowie die frühzeitige Klärung der Rahmenbedingungen.

Die Anzahl Erneuerungsprojekte von Wohnbaugenossenschaften wird in den kommenden zehn Jahren nochmals ansteigen. Für die Nachfrage nach innovativen Konzepten und Unternehmen im Bereich der Zwischennutzungen dürfte also gesorgt sein.

> Bezugsquelle: Die Masterthesis kann per E-Mail direkt beim Autor bestellt werden.

Angaben zum Autor:

Samuel Gamper
arbeitet im Portfoliomanagement
des Universitätsspitals Zürich

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