Baugenossenschaft Schönheim: 75 Jahre Wachstum abseits der Ballungszentren

Die Baugenossenschaft Schönheim (BGS) erweist sich in vielerlei Hinsicht als atypisch: Zum Beispiel, weil sie sich bei der Gründung vor 75 Jahren bewusst dafür entschieden hat, auf dem Land günstigen Wohnraum zu schaffen. Oder weil sie, statt sich auf zwei, drei Standorte zu konzentrieren, inzwischen 20 Siedlungen in 15 Gemeinden unterhält. Oder weil sie dank Delegierten- statt Generalversammlungen schlank Entscheide fällen kann.

500 Wohnungen in den ersten zehn Jahren
Bereits bei der Gründung der Baugenossenschaft Schönheim 1945 – unter anderen durch Architekten, kaufmännische Angestellte, einen Bankier und einen Staatsanwalt – stand fest, dass man sich der Erstellung von günstigem, gesundem und schönem Wohnraum auf dem Land verschreiben wollte. Ausserhalb der Ballungszentren war Bauland günstiger zu haben und noch reichlich vorhanden. Der Vorstand war mit grossen Entscheidungskompetenzen und Darlehen (inzwischen zurückbezahlt) von Bund, Kanton, Firmen und Privatpersonen ausgestattet und begann, in verschiedenen Gemeinden Land zu kaufen und kurz darauf Siedlungen zu bauen. So wurden bereits in den ersten zehn Jahren nach der Gründung rund 500 Wohnungen erstellt.

Auch baut die BGS bis heute auf eigenem Land. Einzige Ausnahme: Jene fünf Liegenschaften ihrer Siedlung In der Ey in Zürich Albisrieden (Baujahr 1993), wo auch die Geschäftsstelle der BGS untergebracht ist. In der Folge erlebten die ersten Siedlungen den ersten Sanierungszyklus. Ausserdem folgten weitere Neubauten in Uster, Urdorf, Dietikon und Kloten sowie erste Ersatzneubauten. 2020 – zum 75-Jahr-Jubiläum – war geplant, ein Fest mit allen Genossenschafterinnen und Genossenschaftern unter der Kuppel des Zirkus Knie zu feiern. Dieses Fest wurde nun, Coronabedingt, auf den 80. Geburtstag ins Jahr 2025 verschoben.

Schlanke Organisation trotz vieler Standorte
Es gibt gute Argumente dafür, sich auf einige wenige Standorte zu konzentrieren, sowohl logistische als auch organisatorische. Die BGS hat die Aufgaben, weit verstreute Standorte in Schuss und gleichzeitig den Kontakt zu ihren Bewohnenden zu halten, aber auf ihre Art gelöst. Einerseits durch die Einführung von Siedlungskommissionen (1949) und andererseits durch die Auslagerung bestimmter Arbeiten wie Reinigungen und Umgebungsarbeiten an externe Partner und nebenamtliche Hauswartungen. So bleibt die Geschäftsstelle trotz des grossen Portfolios von rund 700 Wohnungen mit lediglich neun Angestellten inklusive Geschäftsleitung, Bewirtschaftung, Buchhaltung und vier vollamtlicher Hauswarte schlank organisiert. Die Siedlungskommissionen übernehmen zusätzliche Aufgaben: Nebst der Siedlungsversammlung, die zur Meinungsbildung sowie als Informations- und Diskussionsplattform dient, organisieren sie Feste, Treffen, kleine kulturelle Anlässe oder – wie in Kloten – einen Waldputztag. Auch sind sie die Anlaufstelle bei Anliegen und für Ideen. Diese Anliegen und Ideen für Anschaffungen werden gesammelt und an den Vorstand und/oder die Verwaltung weitergeleitet und dort effizient behandelt.

Entscheidungsfindung: direkt und nach dem Betroffenheitsprinzip
Da die Siedlungen eher klein und im Kanton verstreut sind, beschloss die Generalversammlung der BGS 1971 die Einführung einer Delegiertenversammlung mit weitgehenden Kompetenzen. Seither werden die Delegierten von den Bewohnenden der jeweiligen Siedlungen bestimmt und nehmen deren Stimmrechte wahr. Ebenfalls eine Besonderheit: Zur Gründungszeit sahen die Statuten umfassende Entscheidungsbefugnisse – bei Sanierungen, Ersatz- oder Neubauten – für den Vorstand vor. Erst 2004 beschloss die Generalversammlung in einer Statutenrevision, den Mitgliedern mehr Mitspracherecht einzuräumen. Bei grossen Sanierungen oder im Falle eines Abbruchs und Neubaus muss das Einverständnis der Bewohnenden der betroffenen Siedlung eingeholt werden. Diese stimmten solchen Vorhaben bisher 15-mal zu und nur in einem Fall nicht, sodass der Vorstand jenes Geschäft – wie in den Statuten vorgesehen – vor die Delegiertenversammlung bringen musste. Mit der Statutenrevision von 2004 wurde zudem die Generalversammlung ganz abgeschafft. Sämtliche Kompetenzen liegen heute bei der Delegiertenversammlung.

Erneuerung – kontinuierlich und sozial geplant und vorausschauend kommuniziert
Von 2009 bis 2014 wurden acht der noch aus den Gründungsjahren stammenden Siedlungen saniert: Küchen, Nasszellen, sanitäre und elektrische Installationen, Gebäudehüllen sowie die Wärmeversorgung – mit einem hohen Anteil an Erneuerbaren. Wo sich eine Sanierung aber aufgrund der Bausubstanz nicht rechnet und das Grundstück grosses Potenzial für mehr Wohnraum bietet, erarbeitet der Vorstand zusammen mit den Baukommissionen Pläne für Ersatzneubauten. Wichtig: Über geplante Sanierungen und Ersatzneubauten werden die Bewohnenden immer mindestens fünf Jahre im Voraus informiert. Bis zum Baustart macht die BGS den Betroffenen Angebote für Wohnersatz, möglichst innerhalb der Genossenschaft. Auch werden Ersatzneubauten – trotz der dadurch entstehenden Mehrkosten – nach Möglichkeit etappiert, um den Bewohnenden eine Umsiedlung innerhalb der Siedlung anbieten zu können.

Zurzeit machen die Ersatzneubauten in Gossau ZH und Oberengstringen Nord grosse Fortschritte. Für ein weiteres Projekt, den Ersatzneubau der Siedlung In der Lachen in Dietikon, steht die Baugenehmigung durch die Stadt Dietikon noch aus. Dort sollen anstelle der 58 Wohnungen mit kleinen Grundrissen 74 neue, grössere und vor allem hindernisfreie Wohnungen, ein Gemeinschaftsraum und ein Doppelkindergarten entstehen. Bei diesem Projekt wurden, da das rund 10 000 Quadratmeter grosse Grundstück von der Strasse «In der Lachen» durchschnitten wird, in einem privaten Gestaltungsplan die Strasse verlegt und der entsprechend angepasste Quartierplan durch die Gemeinde aufgelegt und anschliessend genehmigt. Für Anfang 2022 ist der Baubeginn geplant.

Mitwirkung aktiv fördern
Um die Mitglieder aktiv zur Mitgestaltung innerhalb der Genossenschaft zu animieren, wurden kürzlich 50 Stellenprozente geschaffen und erste Projekte lanciert. So wird zum Beispiel bei Neubauten die Umgebung nur rudimentär gestaltet, vieles noch offengelassen und die Bewohnenden werden dazu eingeladen, ihre Ideen einzubringen. Schliesslich soll die Gestaltung von Spiel- und Sitzplätzen, Treffpunkten und der Bepflanzung ihren Bedürfnissen entsprechen. Ein anderes Beispiel: Als die BGS 2018 in Männedorf die Siedlung Glärnisch mit 26 Wohnungen kaufte, gab es dort weder eine Siedlungskommission noch eine Kultur der Mitwirkung unter den Bewohnenden, die neu zu Mitgliedern wurden. So gilt es nun, die Genossenschaftskultur auch dort aktiv zu etablieren. Auch damit beweist die Baugenossenschaft Schönheim – wie viele andere, im Wachstum begriffene Genossenschaften –, dass die Gemeinnützigen nicht eine geschlossene, sondern eine inkludierende Gesellschaft bilden.

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