An der Fachtagung vor sechs Jahren fragte sich die gemeinnützige Branche, was sie zum formulierten Netto-null-Ziel beitragen kann. An der Fachtagung vom 5. Dezember 2025 wurde nun ein erstes Fazit präsentiert: zum einen in Form ganz konkreter Beispiele und zum anderen zu deren Messbarkeit und Wirkung.

René Estermann, Direktor UGZ, überbrachte die Grussbotschaft der Stadt Zürich.
Der Elefant im Raum lässt grüssen
Eva Brugger brachte in ihren Begrüssungsworten den sprichwörtlichen Elefanten im Raum zur Sprache: die indirekten CO₂-Emissionen. René Estermann, Direktor von Umwelt- und Gesundheitsschutz Stadt Zürich UGZ, knüpfte in seiner Grussbotschaft daran an: Zwar seien die Stadt und die gemeinnützigen Bauträger dabei, bei den direkten Emissionen, also beim Betrieb von Gebäuden, grosse Schritte Richtung Netto-null zu unternehmen. Dennoch seien es immer noch etwa zwei Tonnen CO2 pro Kopf, die wir jährlich verursachen. Der Bereich Bau verursacht zudem an indirekten Emissionen nochmals zwei Tonnen pro Kopf .
Netto-null passiere nicht bottom-up. Die Vorstände seien hier gefragt, top-down Vorgaben bei den gemeinnützigen Bauträgern mehrheitsfähig zu machen. Damit meinte René Estermann aber auch, dass der Staat, also die Stimmbevölkerung, etwas beschliessen könne. So geschehen bei der Annahme des neuen Energiegesetzes, das den fossilen Heizersatz verbietet.
Dort, wo Emissionen unvermeidlich seien, wie bei Zementwerken oder bei Kehrichtverbrennungen, müsse innovative Technik zur CO2-Abscheidung ins Spiel kommen. Dies sei zwar kostspielig. Aber Netto-null – so René Estermann – sei nicht gratis zu haben. Auch dass unsere Gewässer heute sauber seien, habe die Schweiz rund 100 Milliarden Franken gekostet. Für das Abscheiden und Entsorgen von CO2 seien etwa 16 Milliarden Franken nötig.
Zahlen zur richtigen Einordnung des Themas
Florian Suter, ebenfalls vom UGZ, setzte direkte und indirekte Emissionen erst einmal in Relation: nur 15 % der gesamten CO2-Emissionen in der Stadt Zürich sind direkte, 85 % entstehen indirekt. An den direkten Treibhausgasen – die Zahlen stammen von 2023 – haben die Gebäude einen Anteil von 54 % oder 1,2 Tonnen pro Kopf. Dies vor allem, weil noch 90 % der Gebäude mit Gas und Öl beheizt werden. Dank dem Ausbau der Fernwärme wird dieser Anteil kontinuierlich sinken. (Dazu der Bericht Klimaschutz der Stadt Zürich >)

Etwas Statistik von Florian Suter (links) und Johannes Besch (rechts)
Im Anschluss daran fragte Johannes Besch, ganz der Statistiker (der Stadt Zürich), ob es wirklich zu wenige Wohnungen in der Stadt Zürich gebe. Zunächst zeigte er auf, dass der Wohnflächenverbrauch pro Kopf seit 1970 um 33 % gestiegen ist. Dann dividierte er die aktuell gebaute Wohnfläche durch den Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch aus dem Jahr 1970. Nach dieser Rechnung hätten heute 575’000 Menschen in Zürich Platz. Bei den heute beanspruchten 40 m² pro Person müssten 65’000 Wohnungen gebaut werden, um dieser Zahl Wohnraum zur Verfügung zu stellen – was der Wohnbautätigkeit der letzten 40 Jahre entspricht. Er wies auch aus, dass nur gerade 40 % der Wohnungen «richtig» belegt seien. Belegung sei aber ein grosser Hebel, auch bei der Minimierung von CO2-Emissionen.
Einer der grössten Bauträger der Schweiz spart im UG
Das Amt für Hochbauten verbaut laut Michael Pöll rund 550 Millionen Franken pro Jahr und ist damit einer der grössten Bauträger der Schweiz. Für ihn sind Hebel – einerseits Kosten bzw. Einsparungen und andererseits Emissionsreduktionen – entsprechend wichtig. Zwar zeigt sein «Aktionsplan für Bauvorhaben» noch einige Unbekannte. Daraus geht aber auch klar hervor, dass schon durch die Reduktion der Untergeschosse (bis zu 15 %), durch Hybridbau mit Holz (bis zu 12 %) und der Verwendung von Recycling-Beton abermals viel eingespart werden kann, oft sogar Kosten. (Siehe auch Fachstudien Einsparung THG-Emissionen> und Kostenauswertung>)

Wird konkret: Michael Pöll vom Amt für Hochbauten
Umsetzungsstrategien laufend schärfen
Fabian Stutz, Spezialist Ökologie bei der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ) stellte gleich zu Anfang klar, dass der Weg der ABZ zu Netto-null ein 2016 gestarteter partizipativer Prozess mit ihren Genossenschafter:innen gewesen ist. Das ökologische Handeln, also der sparsame Umgang mit Raum, Boden und Energie ist dabei ein zentrales Element. Deshalb treibt die ABZ den Ersatz fossiler Heizungen voran, erneuert ihren Gebäudebestand nachhaltig und betreibt ein Energie-Monitoring. Bei der Ausschreibung von Neubau-Projekten schreiben sie die Zertifizierung nach SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) ins Pflichtenheft neben Vorgaben zu LowTech, maximalen Fensterflächen und mehr.
Die Motivation der Baugenossenschaft Zurlinden (BGZ), so deren Präsident Stefan Kälin, sei die Gewissheit, dass unsere Ressourcen endlich seien und diese auch den kommenden Generationen noch zur Verfügung stehen müssen. Immerhin 37 % der CO2-Emissionen der Schweiz seien auf Bauen und Wohnen zurückzuführen. Beim Absenken der Betriebsenergie, direkten Emissionen, sei die BGZ auf Kurs. Bei der grauen Energie, die beim Bau anfalle, sei noch deutlich Luft nach oben. Er hielt fest, dass «null von Netto-null eben doch sehr wenig ist». Er setzt bei der nachhaltigen Energieversorgung an, also bei grossen PV-Anlagen vor Ort, die sowohl die Wärmepumpen als auch die Bewohnenden mit Strom versorgt – bei einem der gezeigten Beispiele immerhin zu 93 %, bei einem anderen sogar mit Überschuss. Die BGZ nimmt aber auch Einfluss auf die graue Energie, also beispielsweise die Emissionen der Mobilität ihrer Bewohnenden: durch autoarme Siedlungen, ÖV-Abos, Carsharing-Angebote und die Installation von Ladesteckdosen.

Linkes Bild: BG Zurlinden-Präsident Stefan Kälin, rechtes Bild: Daniela Ziswiler, Bereichsleiterin Bauten bei der FGZ
Die Familienheim-Genossenschaft Zürich (FGZ) nutzt die geografische Konzentration – alle Siedlungsetappen befinden sich am Friesenberg – auf ihrem Weg zu Netto-null. Daniela Ziswiler erläuterte, wie die FGZ seit 2014 laufend ihr Anergienetz, das von der Abwärme naheliegender Rechenzentren gespiesen wird, erweitert. Überschüssige Wärme wird während den Sommermonaten in der Erde gespeichert. Die Massnahmen der FGZ orientieren sich an der grösstmöglichen Wirkung, um insgesamt die Zielsetzungen zu erreichen. So wird der relativ grosse Anteil an älteren Liegenschaften prioritär nach den grössten Hebeln Schritt für Schritt saniert oder neu gebaut. Im Zuge dessen werden auch die indirekten Emissionen gesenkt: Die nachhaltige Mobilität ist ein wichtiger Bestandteil des Massnahmenplans. Dieser sieht bei Erneuerungen weniger Autos, weniger Parkplätze und Tiefgaragen vor.
Monitoring: messen, priorisieren, umsetzen
Um eine umfassende Strategie zu Netto-null entwickeln zu können, nahm die Mieter-Baugenossenschaft Zürich (MBGZ) zunächst eine Bestandsaufnahme vor. Dazu beauftrage Michael Metzger Diego Sigrist von Scandens. Er hat ein Tool entwickelt, mit dem sich die Potenziale im bestehenden Gebäudebestand erfassen lassen. Damit kann auch den Genossenschafter:innen aufgezeigt werden, welche Massnahmen welche Wirkung haben. Aktuell wird die Liegenschaftenstrategie an den CO2-Absenkpfad angepasst, zu dem sich die MBGZ verpflichtet hat. Dabei gilt es, nebst dem Klimaschutz auch die Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten, um weiterhin bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Für alle Liegenschaften wurden die relevanten Daten erhoben und sogenannte digitale Zwillinge erstellt. Mit diesen konnten verschiedene Sanierungsszenarien simuliert und miteinander verglichen werden. Heute verfügt jedes Gebäude über eine Art Energieeffizienzklasse sowie über eine Empfehlung für die sinnvollsten baulichen Massnahmen.

Beni Rohrbach sammelt Daten für mehr als wohnen
Die Baugenossenschaft mehr als wohnen hat sich in punkto Nachhaltigkeit von Beginn an hohe Ziele gesetzt. Beni Rohrbach sammelt seit zehn Jahren im Auftrag von mehr als wohnen Daten zu beeinflussbaren Faktoren in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Alle zwei Jahre werden diese ausgewertet und mit den Vorjahren einerseits und mit den Zielwerten andererseits verglichen. Bei negativen Entwicklungen hat mehr als wohnen nach der Ursache gesucht und entsprechende Massnahmen getroffen. Inzwischen unterbieten speziell bei den Energiezielwerten (Strom, Heizung und Warmwasser) bis auf ein Gebäude alle die Arealzielwerte. (Link zum Monitoring von mehr als wohnen >)
Netto-null nicht gratis, aber förderungswürdig
Marie-Laure Pesch vom Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich erläuterte eine ganze Reihe von Bereichen, in denen die Stadt Zürich (teilweise subsidiär zu den Förderungen des Kantons) Beiträge sprechen kann. Angefangen bei den Mitteln für Heizersatz, Entschädigungen für vorzeitigen Heizersatz und bei Teil-Stilllegungen des städtischen Gasnetzes, bei der Installation von Solaranlagen oder etwa bei Massnahmen zur Hitzeminderung von Grün Stadt Zürich. Sie wartete auch mit ganz konkreten Zahlen auf, und verwies auf den «Fördergeldrechner». Ausserdem stellte sie in Aussicht, dass die Stadt im kommenden Jahr Beiträge zu Fenster- und Fassadensanierungen bei Liegenschaften unter Denkmalschutz sprechen kann.
Kathrin Schriber betreut den Fonds de Roulement und weitere Förder-Organisationen bei Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Bei diesen können gemeinnützige Bauträger bei Kauf, Bau und Sanierungen Fördermittel beantragen. Sie hob speziell Möglichkeiten im Zusammenhang mit energetischen Sanierungen und Verdichtungsprojekten hervor, bei denen der Fonds de Roulement Darlehen vergibt.

Bild links: Kathrin Schriber | Bild rechts: Kolja Schwarz
Kolja Schwarz von der Fachstelle Gemeinnütziges Wohnen der Stadt Zürich blickt auf ein Jahr Erfahrung mit dem neuen städtischen Wohnraumfonds zurück. Dieser Fonds gewährt bei Liegenschaftenkäufen und Erneuerungen von Bestandsliegenschaften nichtrückzahlbare Investitionsbeiträge (u.a.) an gemeinnützige Wohnbauträger in der Stadt Zürich, sofern diese nicht durch anderweitige Förderbeiträge abgedeckt werden. Die Gesuchsteller:innen müssen die Vorgaben der Wohnraumfondsverordnung (VWRF) erfüllen sowie ein Vermietungsreglement erlassen.
Fazit: Die innovativen Techniken und Ideen sind – wie die Beispiele zeigen – erprobt, die Tools für Analyse, Planung und Messung der Wirkung sind da und selbst Fördermittel zur Absenkung der CO2-Emissionen stehen bereit. So war man sich auf der Fachtagung einig, dass wichtige Schritte in die richtige Richtung bereits gegangen werden, der Weg zu Netto-null – vor allem im Zusammenhang mit den indirekten Emissionen – aber noch ein weiter ist.
Download aller Präsentationen (15,2 MB) >